Hatha-Yoga wurde in seiner Blütezeit in Indien entwickelt um junge Krieger körperlich und geistig zu stärken. Als Überbegriff umfasst er alle Yogawege, die mit Körper, Geist, Atem und dem Energiesystem arbeiten. Im Hatha-Yoga gehen wir in eine bewusste, aktive, konzentrierte und achtsame Meditation über die Balance zwischen Körper und Geist ('Geist' in Anlehnung an Ken Wilber sinngemäß als "kleine Geist", zu dem neben dem mentalen auch unser psycho-emotionales System gehört). Meditation ist in der alten indischen Tradition der Königsweg des Yoga und wird als höchstes Ziel im Yoga angesehen.
Eine Übersetzung von Ha-tha lautet aktive Kraft oder Stärke. Hier wird insbesondere auf die Kraft des Geistes hingewiesen, welche die Körperkraft und den Atem lenkt. Eine weitere Übersetzung lautet Sonne-Mond. Diese beschreibt die Verbindung bzw. Einheit polarer Gegensätze, wie z.B. Anspannung- Entspannung, männlich-weiblich, hell-dunkel, stark- sanft usw.. Asanas (Körperhaltungen), auch Yogasanas genannt, in Verbindung mit Pranayama (Atemschulung und -kontrolle), kräftigen und entspannen den gesamten Körper-Geist-Organismus und stärken Konzentration und Willenskraft. Zudem unterstützen sie unsere Wahrnehmung, Flexibilität und unser Gleichgewicht.
Der Atem ist die Sprache Gottes
-- Paramahansa Yogananda
Der Atem als Träger der Lebensenergie
So wie das Sonnenlicht dient auch der Atem als Träger von Prana, unserer Lebensenergie. Ohne Prana würden wir nicht leben.
Mit leichten konzentrierten Atemübungen dehnen wir unser Atemvolumen aus und versorgen unsere Körperzellen vermehrt mit Prana. Dadurch lassen sich Verspannungen vorbeugen, lindern und auch häufig lösen. Viele alte Traditionen aus allen Kontinenten sowie moderne Atemmethoden lehren, dass ein langer, tiefer und ruhiger Atem das Entstehen von Krankheiten verhindern und unser Leben verlängern kann. Wir können es überprüfen: Nach einer intensiven Atempraxis fühlen wir uns durchlässiger, frischer, wacher und lebendiger.
Der Atem gibt uns Orientierung, beruhigt und dient als Kraftquelle. Er unterstützt unsere Konzentration und leitet uns in der Meditation. In den Atemübungen lernen wir auch unser inneres Feuer wahrzunehmen, freizusetzen oder zu binden. Dies verschafft uns tieferen Zugang zu unserer ursprünglichen Lebendigkeit, Wachheit und Präsenz - zu dem der wir wirklich sind. Schon Anfänger im Yoga stellen nach kurzer Zeit fest: Atmen wir während der Yogapraxis bewusst, lange, tief, ruhig und sanft, fühlen wir uns nach kurzer Zeit vital, wach, konzentriert und gleichzeitig entspannt.
Der Westen kennt 10.000 Krankheiten.
Der Osten kennt eine einzige Krankheit: Blockierte Energie.-- Chinesisches Sprichwort
Yoga wirkt - oder Die Kunst zu leben
Unser schnelllebiger Alltag überflutet uns mit Sinneseindrücken, hohen Anforderungen, Umweltverschmutzung, Elektrosmog und vielem mehr. Die meisten Menschen können sich diesem Druck äußerlich nicht mehr entziehen. Sie verlieren den Zugang zum eigenen Körper, spüren sich nicht mehr und stumpfen ab. Sie wissen nicht mehr wie sie ihr Leben genießen, geschweige denn sich nachhaltig entspannen können. Mit der Zeit entwickeln sie Stresssymptome bis hin zu chronischen Erkrankungen.
Hier setzt Yoga auf vielfältige Weise an. Mit seinen Methoden lernen wir, unser Leben wieder zu entschleunigen und durch bewussten Reizentzug Oasen der Ruhe zu gestalten. Im Yoga lernen wir uns wieder zu spüren, auf unsere Körpersignale zu achten, uns bewusst und achtsam zu bewegen und die Kraft unseres Körpers und unseres Atems neu zu entdecken. Der Körper zeigt deutlich seine Grenzen und Bedürfnisse. Diese zu respektieren ist eine not-wendige und heilsame Erfahrung. Durch Yogasanas stärken wir nicht nur unsere Nerven und unser Immunsystem sondern den gesamten Körper-Geist-Organismus und beugen damit vielen vermeidbaren Krankheiten sowie einem verfrühten Alterungsprozess vor. Es ist wissenschaftlich nachgewiesen dass sich eine regelmäßige achtsame Yoga- sowie Meditationspraxis positiv auf unsere geistige und körperliche Gesundheit auswirkt. Entspannung, Kräftigung, Dehnung und Massage unseres Körpersystems, Atemschulung, Achtsamkeitsübungen und Meditation unterstützen uns sowohl darin unseren Alltag besser zu bewältigen als auch zu hinterfragen und gegebenenfalls zu verändern.
Was geschieht nun genauer in unserer täglichen Yogapraxis?
Oft schon nach der ersten Yogastunde spüren wir ein tiefes Wohlgefühl aus Entspannung, Zufriedenheit, Ruhe, Weite und Freiheit. Was ist das? Wie kommt es dazu? Die Praxis des Yoga berührt körperliche, emotionale, mentale, feinstofflich-energetische sowie spirituelle Bereiche unseres Menschseins. Durch die Koordination und das Zusammenschwingen von Körper und Atem fließt Energie in die Muskulatur. So kann durch zunehmende Lebensenergie Kraft, Entspannung, Balance, Konzentration und geistige Klarheit wachsen. Es entsteht Raum für neue Entwicklungen. Yoga gibt uns Sicherheit darin, den uns eigenen entsprechenden Platz in dieser Welt einzunehmen. Im Laufe einer längeren und regelmäßigen Yogapraxis verändert sich mit unserer geistigen Ausrichtung auch unsere energetische Schwingungsfrequenz. Die gute Nachricht: Es braucht dazu keine 6 Stunden tägliche Yogapraxis! Wenn Du beginntst die Kunst des Yoga zu verinnerlichen und täglich eine halbe Stunde bis Stunde zu praktizieren wirst Du bald feststellen wie sich Dein ganzes Leben positiv verändert!
Zusammengefasst: Eine regelmäßige Yogapraxis
- stärkt und dehnt die Muskulatur, dehnt die Faszien
- entlastet das Skelett
- hält die Wirbelsäule und die Gelenke geschmeidig
- verbessert die Körperhaltung
- massiert die Körperorgane und fördert ihre Durchblutung
- harmonisiert und stärkt das Herz-Kreislauf-, Nerven-, Hormon- und Immunsystem
- stabilisiert das äußere und innere Gleichgewicht
- löst Spannungen und Blockaden
- verfeinert die Körperwahrnehmung
- setzt Energiepotential frei
- schult und harmonisiert den Atemfluss
- bietet Hilfe für ein selbstbestimmtes Stressmanagement
- stärkt Geduld, Aufmerksamkeit, Konzentration und Achtsamkeit
- lässt Selbstvertrauen, Selbstverantwortung und Selbstbewusstsein wachsen
- führt dazu, unbewusste Haltungen und Verhaltensmuster wahrzunehmen, zu erforschen, damit zu spielen und ggf. durch neue, bewusstere Verhaltensweisen zu ersetzen
- ist Meditation in Bewegung und Hinführung zu bzw. Unterstützung in der eigenen Meditationspraxis
- macht Spaß :)
Yoga in Tradition und Moderne
Tradition ist die Weitergabe der lebendigen Flamme,
nicht die Anbietung der Asche.-- Unbekannt
Der Yoga wurzelt in zwei sehr alten Entwicklungslinien: Die erste Linie gehört der Tradition der Hatha Yoga Pradipika an, die wiederum Teil eines größeren, tantrisch-schamanischen Systems ist. Der Tantra arbeitet mit den Energien des Körpers. Über Erfahrung und Eingebungen fanden die alten Yogis Zugang zu den Energiebahnen (Nadis), Energiezentren (Chakren) und dem Lebensstrom (Prana). Auch die Lehren des Ayurveda finden in dieser alten Tradition ihren Ursprung. Neben Beschreibung und Ausführung der Körperhaltungen (Asanas) beschäftigten sich die Yogis mit Atemkontrolle (Pranayama), mentalen Übungen, Visualisierungen und diversen Reinigungstechniken.
Um die Yoga-Praxis der heutigen Zeit zu verstehen schauen wir die zweite Linie an: Sie vertritt den Ansatz, den Körper bzw. dessen Widerstand zu nutzen um die körperlichen Grenzen zu überwinden und sich davon zu befreien. Die Praxis diente ursprünglich auch hier der Vorbereitung des Körpers und des Geistes auf eine höhere Bewusstseinsreise in der Meditation. So weist der achtgliedrige Pfad des Patanjali auf einen ursprünglich ganzheitlichen Weg hin (siehe Achtgliedriger Pfad des Patanjali).
Über ein Jahrtausend lang entwickelte sich Yoga entlang dieser beiden Linien: Eine tiefe transzendente Praxis und Asanas als Methode der Körpermeditation und Geistessammlung.
Unabhängig von der jeweiligen Entwicklungslinie war der Yoga bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts Teil eines Einweihungsweges für kleine Gruppen ausgewählter (meist männlicher) Yogis auf ihrem Weg zu Befreiung und Transzendenz. In der Tantrischen Linie gab es auch Frauen, die meist in der Einsamkeit praktizierten. Vermittelt wurde der Yoga in persönlicher Guru-Schüler-Tradition.
Ab dem 20. Jahrhundert kam Veränderung auf und es erhielten auch breite Bevölkerungskreise in Indien Zugang zum Hatha Yoga. Neben den traditionellen entstanden im Laufe der Jahrzehnte neue, an die Bedürfnisse der modernen indischen und westlichen Kultur angepasste Yogastile. Diese Öffnung machte es möglich, dass auch Frauen und Menschen aus dem Westen als Yogaschüler angenommen wurden. In dieser Zeit entstand auch der Unterricht in Gruppen. Der Yoga entwickelte sich über den traditionellen Hinduismus und Buddhismus hinaus und wurde zu einer religions- und kulturübergreifenden Methode.
Inzwischen praktizieren weltweit mehr Frauen als Männer Hatha Yoga. Der Yoga von heute ist traditionell und modern. Er breitet sich aus in Sport, Wellness, Ernährung, Körper- und Bewegungstherapie, Physiotherapie, Psychotherpaie, Selbsterforschung, Tiefenentspannung oder Meditation. Yoga ist heute für jeden möglich. Zugegeben - nicht alles was heute als 'Yoga' angeboten wird hat noch eine echte Verbindung zum ursprünglichen Yoga. Aber wie in allem gilt es, dem Bewusstseinswandel nachzugehen und zu hinterfragen was noch Sinn macht in der heutigen Zeit, was erhalten werden sollte. Wir müssen also die Spreu vom Weizen trennen, das heilige Flamme des Yoga weitergeben und die Asche zurücklassen. So wächst und verändert sich auch der Yoga und bleibt im wahrsten Sinne des Wortes in Bewegung. Yoga ist für den Menschen da - nicht der Mensch für den Yoga. Im Zentrum unserer Yogapraxis sollte der Mensch stehen der früher wie heute die Verbindung sucht.
Ashtanga: Der achtgliedrige Pfad des Patanjali oder der Baum des Yoga
Die ersten fünf Glieder (Praxisanweisungen) sind:
1. Yamas – Umgang mit der Umwelt
2. Niyamas – Umgang mit sich selbst
3. Asanas – Umgang mit dem Körper
4. Pranayama – Umgang mit dem Atem
5. Pratyahara – Umgang mit den Sinnen
Die weiteren 3 Glieder (Königsweg und Umgang mit dem Geist) lauten:
6. Dharana – Konzentration
7. Dhyana – Meditation
8. Samadhi – innere Freiheit, Befreiung
(siehe auch unter Literatur)